Das Glück in der Küche
Annett strahlt und räumt den Geschirrspüler aus. Ihre Wangen leuchten rosig in die Küche hinein. „Die Kollegen sind respektvoll und helfen mir“, erklärt sie, hält kurz inne und überlegt. „Ja, es macht mir wirklich Spaß“. Was wie ein einfacher Satz klingt, ist für die junge Frau weit weg von jeder Selbstverständlichkeit. Die an Lernschwierigkeiten leidende Radebergerin wurde oft nicht für ernst genommen, belächelt, in Schubladen gesteckt und herabgewürdigt. Wenn sie sich daran erinnert, schiebt sich Ernst vor das Strahlen in ihrem Gesicht.
Das alles hat jetzt – zum Glück – ein Ende. Wie zum Beweis betritt eine Kollegin den Raum, scherzt mit ihr und fegt wieder davon. Annett ist 26 Jahre alt, hat braune kurze Haare, ein offenes Lachen und arbeitet seit mehr als acht Monaten für das Inklusionsunternehmen paso doble. Als Hauswirtschafterin im Fachkrankenhaus des Epilepsiezentrums Kleinwachau kümmert sich Annett um ziemlich alles, was mit Verpflegung zusammenhängt. Auf der Station 2 – einer Station für Menschen mit Epilepsie und komplexen Behinderungen – deckt sie die Tische und drapiert Becher, Besteck und Servietten. Sie rückt Stühle zurecht, stellt Kuchen auf den Tisch und sorgt dafür, dass Tee und Kaffee griffbereit sind. Nach den Mahlzeiten sammelt sie das Geschirr zusammen, packt die Spülmaschine voll, reinigt Küche und Thermoskannen, wirft gute Laune in den Raum und scherzt mit den Patienten.
Annett weiß nicht warum, doch es fällt ihr schwer, komplexe Dinge zu verstehen. Wegen ihrer Auffassungsgabe hat die junge Frau schon in ihrer Kindheit und Jugend Förderschulen besucht. „Schreiben kann ich jetzt“, erklärt sie nicht ganz ohne Selbstironie. „Nur das Rechnen fällt mir manchmal schwer.“
Zwar wandelt die geübte Hauswirtschafterin im Zahlengewirr nicht immer auf festen Pfaden. Mit ihrer burschikosen Herzlichkeit jedoch wickelt sie den schrägsten Patientencharakter ein und zaubert ein Lachen in die von einem Schutzhelm umrahmten Gesichter der Station-2-Patienten. Neben deren Verpflegung kümmert sie sich übrigens auch um die Sauberkeit in den Zimmern und die Reinigung der Wäsche. Sie wischt die Rollstühle ab, verwaltet Kopfkissen und Decken und hat den Zugang zum Lagerraum. Dort steckt auch ein altes Kofferradio im Schrank. „Manchmal wollen die Patienten Musik hören“, erklärt Annett leicht amüsiert. „In solchen Momenten ziehe ich das alte Gerät aus dem Schrank”. Meist folgen: Gute Laune, Spaß und rhythmisches Wippen der Patientenbeine. Musik sei eben eine ganz besondere Medizin, erklärt Annett und füllt die Thermoskannen mit ungesüßtem Tee.
Auf dieser Homepage nennen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur bei ihren Vornamen. Das hat aber keinen herabwürdigenden Grund und soll auch nicht flapsig oder gar hip wirken. Ganz im Gegenteil. Wir schätzen deren Mut sehr, ihre persönlichen Erfahrungen öffentlich zu machen. Dem begegnen wir mit Respekt und nennen nicht ihre Nachnamen und kürzen diese auch bewusst nicht ab.